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Von Ch. Bühlmann, Präsident Grünliberale Partei, Affoltern
Wie viele Fremdsprachen ertragen unsere Kinder? Liebe Eva Torp, in Ihrem Artikel (25. August 2006) zur Fremdsprachen-Situation
finden sich leider zahlreiche Ungereimtheiten, die aufmerksamen Leserinnen und Lesern aufgefallen sein dürften.
Viele Aussagen müssen - mit Verlaub - der Sachlichkeit wegen unbedingt ins Licht gerückt werden.
· Erstens bekunden rund 800'000 Erwachsene (Bundesamt für Statistik, Juli 2006) Mühe mit Lesen,
immerhin jeder 6. Erwachsene. Und darunter fallen nicht bloss Ausländerinnen und Ausländer. Ein Grossteil
von Schweizerinnen und Schweizern weist bei den Grundkompetenzen erhebliche Lücken auf.
· Zweitens beklagen zahlreiche Ausbildungsstätten (Sek, Gymi, Uni, FH), Lehrlingsverantwortliche oder
Lehrpersonen bei Lernenden den Mangel an fundierten Deutschkenntnissen. Ungenügende Lesekompetenzen bei rund
20% der 15-Jährigen gefährdet ernsthaft eine Berufslehre.
· Drittens wurden Ihre wissenschaftlichen Zitate ursprünglich schon von Dr. Willi Stadelmann, Direktor
Pädagogische Hochschule Zentralschweiz, missbräuchlich verwendet. Sie wurden daraufhin einer genaueren
Prüfung unterzogen (durch Dr. Guido Herzog, 2005). Fazit: Herzog entlarvte Stadelmanns Aussagen als nicht
wissenschaftlich. Stadelmann hatte sich nämlich auf Studien berufen, die mit den durchschnittlichen Volksschülern
nichts zu tun haben: Es handelt sich vielmehr um Studien über zweisprachig (bilingual) Aufgewachsene oder
über Altersgruppen ausserhalb der Volksschule. Und ausserdem reicht keine einzige Studie für die Begründung
"eine oder zwei Fremdsprachen in der Primarschule. Frau Torp, Sie argumentieren folglich unsachlich und mit
Halbwissen!
· Viertens beanspruchen schon jetzt über 50 % aller Zürcher Primarschülerinnen und -schüler
sonderpädagogische Stützmassnahmen. Auf der Zürcher Oberstufe erfolgen wegen Überforderung
bereits heute (nicht legale) Dispensationen von der zweiten Fremdsprache. Die Begabten können und sollen hingegen
durch ein Freifachangebot gefördert werden!
· Fünftens haben die Initiativbefürworter keine Angst vor Mehrsprachigkeit, im Gegenteil, sie
befürworten auch zwei Fremdsprachen; dabei geht aber Qualität vor Quantität, in anderen Worten zuerst
solides Deutsch und Englisch an der Primarschule, dann zusätzlich intensives Französisch an der Sekundarstufe.
· Sechstens ist Ihre Behauptung, dass bei nur einer Fremdsprache an der Primarstufe die Schweiz ins Hintertreffen
gelangt, lediglich eine unsachliche Annahme und als solches schlichtweg falsch. Kein einziges unserer Nachbarländer
führt zwei obligatorische Fremdsprachen im Primarschulalter. Solche unseriösen Aussagen dürfen niemals
Bestandteil einer fundierten (politischen) Diskussion sein.
· Siebtens genügt ein früher Sprachbeginn allein nicht (was ohnehin ein Mythos ist), für
den Sprach- und Lernerfolg bedarf es ebenso einer sehr hohen Intensität an Sprachstunden. Lächerliche
zwei Wochenstunden Frühenglisch und Frühfranzösisch sind da viel zu wenig.
· Achtens heisst eine Überbetonung der Sprachen Benachteiligung der Andersbegabten! So gelangen beispielsweise
die mathematisch oder handwerklich begabten Kinder und Jugendlichen stark ins Hintertreffen. Handarbeits- und Werklektionen
wurden meines Wissens schon um 2 Lektionen gekürzt. Eine einseitige Sprachförderung gefährdet den
Nachwuchs an Naturwissenschaftern und Ingenieuren, was heute schon lautstark bezeugt wird.
· Neuntens ist die Benotung von Englisch und Französisch an der Primarschule geplant. Dies bedeutet
bereits schon auf der Primarstufe eine Weichenstellung für die Oberstufe und Berufszukunft.
· Und zehntens: Der Kanton steht unter Spardruck. Glauben Sie allen Ernstes, dass zusätzliche Sprachlektionen,
zusätzliche sonderpädagogische Massnahmen und zusätzliche Lehrkräfte finanziert werden können?
Auf Kosten von was? Sparmassnahmen 04, 05, 06…lassen grüssen.
Und übrigens: Die Abstimmung über die Initiative "Nur eine Fremdsprache an der Primarschule"
findet schon am 26. November 2006 und nicht erst im Februar 2007 statt! Das ist seit längerem bekannt.
Frau Torp, machen Sie sich ein fundiertes Bild! Die Grünliberalen Affoltern a. A. heissen Sie am 31. Oktober
an einer kontradiktorischen Informationsveranstaltung zum Thema "Fremdsprachen in der Primarschule" mit
namhaften Persönlichkeiten aus Bildung und Politik herzlich willkommen!
Christoph Bühlmann
Präsident Grünliberale Affoltern am Albis
christoph.buehlmann@grunliberale.ch