Charles
Lewinsky stellte seinen Erfolgsroman "Melnitz" vor
Dem Bibliotheksteam von Rifferswil ist es wieder einmal mehr gelungen, einen prominenten Autor für eine Lesung
zu gewinnen. Und die Tatsache, dass es Charles Lewinsky war und er aus seinem neuen Roman "Melnitz" lesen
würde, lockte am vergangenen Donnerstagabend Besucherinnen und Besucher aus dem ganzen Bezirk an, sodass die
letzte Sitzgelegenheit bald vergeben war.
Von Ernst Schlatter
Wenn ein so prominenter Kritiker wie Andreas Isenschmid - bekannt durch seine scharfzüngigen Kritiken im Literaturrclub
oder in der "Neuen Zürcher Zeitung am Sonntag" so voll des Lobes ist, dann muss da wohl schon was
dran sein.
"Mit seiner Familiensaga <Melnitz>" - so Isenschmid, "schreibt sich Charles Lewinsky in die
erste Reihe unserer Literatur. Um es gleich zu sagen: Das ist ein herausragender Roman, von einer Qualität,
wie man sie in der Schweizer Literatur nur sehr selten antrifft. Er erzählt am Beispiel einer weit verzweigten
Familie die Geschichte der Juden in der Schweiz zwischen 1871 und 1937. Aber was heisst da erzählt: er stellt
sie in aller das Lachen wie das Leiden umfassenden Lebendigkeit vor uns hin, (….) dass man kaum weiss, wo mit Loben
beginnen." So führte Doris Schneebeli den Autor prägnant ein und liess ihn dann gleich zu Wort kommen.
Film reife Szenen
Und diese Lebendigkeit, die Kunst, seine Figuren und Themen voll Menschlichkeit und Liebe darzustellen, kam denn
auch in seiner Art des Lesens zum Ausdruck.
Aus dem 775 Seiten starken Buch hatte er drei Szenen ausgewählt, welche jede für sich vom Blatt weg verfilmt
werden könnte.
Die Leichtigkeit des Stils, sein Erzähltempo, der Rhythmus seiner Sätze und vor allem die dem Leben abgelauschten,
authentischen Dialoge, machten die Lesung und macht das Lesen des Romans zum Genuss. Mit wenigen Strichen gelingt
es ihm, lebensvolle Charaktere zu zeichnen.
Ohne aufgesetzte Moral
Situationskomik - der vielseitig begabte Lewinsky (Film, Fernsehen, Liedtexte, vier Romane) - weiss er klug einzusetzen,
nimmt so mancher Szene die Schwere und vermeidet so jedes Moralisieren.
So ganz nebenbei liess Lewinsky Einiges über die Geschichte der Juden in der Schweiz als Zwischenkommentar
einfliessen, machte also aus der Lesung eine "Geschichtslektion", frei von allem Historikerstaub und
ebenfalls ohne das Schicksal der Juden irgendwie Tränen rührend darzustellen zu wollen.
Engagiertes, belesenes Publikum
Das Rifferswiler Publikum war intensiv dabei und nahm die Gelegenheit zu Fragen reichlich in Anspruch, wobei Lewinsky,
die ihm am meisten gestellte Frage gleich selber vorweg nahm:
"Melnitz hat nichts Autobiografisches an sich, wenn man einmal davon absieht, dass die Familiengeschichten
aller Schweizer Juden ein bisschen ähnlich verlaufen sind. Keiner meiner Charaktere hat ein reales Vorbild,
obwohl sich viele Schweizer Juden in einzelnen Figuren den einen oder anderen Vorfahren zu erkennen glaubten."
Beim Signieren und beim anschliessendenen, von der Bibliothek offerierten Apéro, wurde dem Schreibenden
wieder einmal mehr bewusst, wie wertvoll solche Kontakte zur aktuellen Literaturszene durch die persönliche
Begegnung mit einem Autor werden können.
Angaben zum Buch:
Charles Lewinsky: "Melnitz"; Roman, 775 Seiten, Hardcover, 44. 50 Franken, ISBN 3-312-00372-5, Verlag
Nagel & Kimche. In jeder Buchhandlung erhältlich.
Bild: Charles Lewinsky beim Signieren seines Buches und im Gespräch. (Bild eschla)