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Thesauri Sanitatis

Oder des

Neu-eröffneten

Schatzes Menschlicher Gesundheit

Dritter Teil

Kräuter-Buch

In welchem alle dermahlen in den Apothecken befindliche und zur Artzney dienende Kräuter, Hecken, Stauden und Bäume, samt ihren Wurtzeln, Blättern, Blüten, Früchten; auch derselben Eigenschaften, Nutzen und Gebrauch, deutlich beschrieben, und mit lebhaften Figuren fürgestellter, auch wie nach Anweisung vieler Medicorum, die davon benöthigte Medicamenta bereitet, und in menschlichen Krankheiten in der Zeit der Noth applicirt werden können, gezeiget wird.

Allen Artzney-Liebenden, auch Wund-Aertzten, Apotheckern, Gärtnern, sorgfältigen Haussvätern und Haussmüttern, sonderlich denen auf dem Lande wohnenden, zu dienlichem Gebrauch und zum fleissigsten colligiert, und mit einem vierfachen Register gefertiget, in Druck gegeben von

Dr. Johann Jacob Bräuner, Med. Pract.

Franckfurt und Leipzig

bey Johann Friederich Fleischern,

MDCC XXVII


Vorrede an den Geneigten Leser.

Geneigter Leser ! Ich stelle demselben, gethanem Verspreche nach, allhier eine kleine, aber doch nützliche Beschreibung aller dermahlen in unseren Teutschen Apothecken befindlichen Vegetabilien für, welche also eingerichtet, dass der Arztney Liebhaber in solcher finden wird, wie jedwedes Kraut, an Wurtzel, Stengel, Blättern, Blühte und Saamen gebildet: wenn soclhes zeitig wirdé wo es wächset, auch wenn und wie es gesammlet werden muss. Nicht weniger wird auch erinnert, in was für einem Gradu temperamenti & qualitatis ein Vegitabile seye ? auch wie solche, wenn sie recht praeparieret werden, im menschlichen Liebe operieren, und was sie für Contraoperationes machen können: und endlich ist auch bei jedem Kräutlein und Gewächs mit angefüget, wie herrlich solche zu des Menschen Gesundheit zu gebrauchen, auch was für rühmliche Artzneyen in besondern Teuschen Recepten daraus bereitet werden können. Damit auch ein Liebhaber der Erd-Gewächse solche ihm besser in Kenntnüss bringen und einbilden möge, hat der Herr Verleger keine Kosten ermangeln lassen, die meisten solcher Kräuter, und so viel die Enge des Raums zulassen wollen, in lebhaffte Figuren zu bringen, und beydrucken zu lassen.

Was nun, nebst der wahren Erkenntnis Gottes, auch die Erkundigung und Geheimnüssen der Natur, absonderlich der Erd-Gewächse, dem Menschen für Nutzen bringen, solches wid von keinem Vernünfftigen verworffen wrden: Denn jeder Christ weiss, dass, so bald der Mensch in die Sünde gefallen, und den Fluch auf sich geladen, solcher auch alsobald der Sterblichkeit theilhafft, und vielerley Kranckheiten, den tod zu befördern, unterworffen worden. Es hat aber auch die grundgütige Fürsorge Gottes sich so reichlich über uns Menschen ergossen, dass derselbe hernach die Krafft der Kräuter und Erd-Gewächse erkennen lernen; da sich denn bald nach der andern Welt (nemlich der Sündfluth) wieder verständige Männer herfür gethan, welche auf die Kenntnüss der Kräuter, Blumen, Früchte und Saamen sehr grossen Fleiss gewendet, und derer Krafft und Würckung zu erkennen, angemercket haben: Den erstern Ruhm hat Apollo, Aesculapius, Mchaon, Orpheus, Democirtus, Hipocrates, Aristoteles, Hipparchus, Evagoras, Erisistratus, Herophilus, Dioscorides, Galenus, Plinius, und anere mehr damit erworben, wie dann auch Serapion, Avicenna, Mesues, derer Schrifften noch fürhanden, nicht geringen Fleiss angewendet haben. Unter allen diesen Kräuter-Lehrern aber hat Dioscorides uns den meisten Dienst geleistet, nict nur, dass er am meisten davon geschrieben, sondern auch der Kräuter Rahmen auf unsere Kräuter gerichtet hat, wodurch andere gelehrte Leute veranlasset worden, sich zu befleissigen, über dieses Dioscoridis Bücher zu schreiben, und solche besser auszuarbeiten, unter welchen Petrus Andreas Matthiolus das grösste gethan, deme hernach eine grosse Anzahl Kräuter-Lehrer beygefallen, immer etwas zu verbessern, und Matthiolo nachzufolgen; wie denn Otto Brunfelsius, Tragus, oder Bockius, Cardus, Fuchsius, Conradus Gesnerns, Lobelius, Nicolaus Gartius ab Horto, Menardus, Lonicerus, Tabernaemontanus, Carrichter, Verzaschae, und andere mehr, sich keine Mühe verdrüssen lassen, allezeit in Nutzbarkeit solcher Vegetabilien ein besser Licht in Latein- und Teutscher Sprache uns aufzustecken.

Dieweil aber solche grosse Bücher allein für Gelehrte, auch weitläufftig und kostbar, von dem gemeinen Mann aber, welcher auch ein Liebhaber der edlen Gewächse Gottes ist, nicht zu gebrauchen, oder alles gelesen und genutzet werden kan: Ein junger Studiosus Medicinae & Chirurgiae auch zu schaffen genug hat, sich diese Kräuter, wleche im täglichen Gebrauch bey wohlbestellten Apothecken gesammlet und aufbehalten werden müssen, sattsam bekannt zu machen: solche grosse Opera auch nicht allezeit mit nachführen können: Das curiose Frauenzimmer, derer auch viele grosse und sonderbare Liebhaberinnen in Kenntnis der Kräuter seyn, allezeit lieber ein Compendium, als grosse Folianten haben: So habe ich mir, auf vielfältiger guter Freunde Erinnern die Mühe genommen, gegenwärtiges Buch, welches allein von denen in unsern Ländern gebräuchlichen Kräutern, Früchten und Saamen handelt, aus anderer Kräuter Lehrer Fleiss zusammen zu bringen, und in diese bequeme Form, als den Dritten Theil meines Thesauri Sanittatis, colligiren zu wollen; wem aber belieben wird ein mehreres davon zu wissen, dem mangelt es nicht, oben angereget Autores darüber zu lesen.

Ob wohl nicht zweiffele, dass manches Nasen-weise Geiffer-Maul seine Zunge über meine gute Meynung spitzen wird; so will ich mich doch keineswegs irren lassen, sondern vielmehr, sonderlich denjenigen, so von dem Studio Medico Profession machen wollen, hiermit treulich erinnern, das Studium Botanicum, gleich von Jugend auf anzufahen, weil die Füsse noch hurtig, frisch und geschickt seyn, auf hohen Bergen, tieffen Thälern und grünen Wiesen darum zu lauffen, so sich hernach im Alter nicht wohl thun lassen will, jdoch haben selbige eben nicht vonnöthen, sich in Kenntnuss aller Kräuter zu verwickeln, und die Zeit allein darauf zu verwenden, weil schon gnug ist, wenn einer Anfangs nur diejenigen beobachtet, welche am üblichsten, und in unsern Apothecken gesammlet werden; wenn er aber endlich so weit kommen, von den nothwendigsten gute Kenntnuss zu haben, so wird ihm hernach auch nicht schaden ein mehrers hierinnen zu thun, auch bey Gelegenheit ein Herbarium vivum zu bereiten.

So ist aber nur Kenntnuss der Kräuter noch bey weitem nicht gethan, und kan dieser Anfang weder einen Medicum noch Chirurgum machen, sonst würden die Wurtzel-Gräber und alte Kräuter-Weiber es manchen hochtrabenden Bartbutzer weit vorthun; derowegen sollen sich selbige befleissigen, von der Kräuter Eigenschafft, Krafft, Tugend und Würckung gute Information zu erlangen, dieweil die meiste Kunst der Chirurgie aus den Vegetabilien gezogen werden muss. Der geehrte Leser lasse ihm dieses mein wohlmeynend Fürhaben gefallen, der ich immittelst verharre dessen dienstbereitwilliger AUTOR.

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