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Regierungsrätin Regine Aeppli sprach in Affoltern

Die Bildungsdirektorin des Kantons Zürich beim Verein Schule und Elternhaus

Auf Einladung der aktiven Sektion Schule und Elternhaus (S&E) Affoltern hielt Regierungsrätin Regine Aeppli ein Referat zum Stand der Volksschulreform nach der Ablehnung des neuen Volksschulgesetzes im November 2002 und in der aktuellen Sparrunde.

Von Ernst Schlatter


Regine Aeppli machte zu Anfang gleich klar, dass es ihr - trotz dem Spardruck - darum gehe, den schon mit der Vorlage vom November 2002 angestrebten Reformen zum baldigen Durchbruch zu verhelfen.

Weshalb Reformen?

Die heutige Schule muss auf die gesellschaftlichen Veränderungen reagieren, wenn möglich rascher. Als Beispiel erwähnte sie das Projekt der Einführung von Englisch in die Primarschulen, das aufs Jahr 1996 zurückgeht. Der gesetzgeberische Weg ist lange. Erst jetzt hat der Bildungsrat entschliessen können, Frühenglisch auf den Beginn des Schuljahres 2004/2005 einzuführen. Im Jahr 2006/2007 sollten dann die letzten Gemeinden des Kantons diesen Schritt vollzogen haben.
Die Ansprüche der Kinder und der Eltern an die Schule sind gewachsen: die Schule muss sie nachvollziehen, auch wenn sie von der Schulorganisation hergesehen eigentlich nicht "notwendig" wären. Die Schule muss Aufgaben wie Aids-Information, Sucht- und Gewaltprävention übernehmen.
Reformen sind auch deshalb nötig, weil die heutige Schule - so Regine Aeppli - deutliche Schwächen und Defizite aufweist. Sie erwähnt die mangelnden systematischen Leistungskontrollen, welche die PISA-Studie bei einigen Leuten einen vielleicht heilsamen Schock, mindestens aber eine Ernüchterung ausgelöst habe.
Internationale Verflechtung erfordert auch von der Schule, dass sie die Bildung, den Bildungsstand als wichtigen Standortfaktor ernst nimmt und auch die neuen Erkenntnisse in der Bildungswissenschaft umsetze: zum Beispiel die professionelle Schulaufsicht.
Trotzdem ist es Regine Aeppli wichtig zu betonen, dass Kindsein auch heute mehr sein soll als die Vorstufe der Arbeitswelt: Spiel, soziale Erfahrungen, Musse - wie dies das Leitbild der Volksschule deutlich macht - müssen auch in der neuen Schule möglich sein.

Schwachstellen

- Die Förderung von Kindern mit ungünstigen Lernvoraussetzungen, Kinder aus bildungsfernen Haushalten (nicht nur Ausländer!) ist noch ungenügend.
- Vorschule und Einschulung erfordern mehr Flexibilität. Die Jahrgangsklasse sollte nicht mehr die Regel sein. Deshalb laufen jetzt - nach der Ablehnung des Bildungsgesetzes - Erprobungen der Grundstufen in verschiedenen Gemeinden und werden auch mit ähnlichen Projekten anderer Kantone zusammen evaluiert.
- Die Professionalisierung der Schulaufsicht, die geleiteten Schulen, welche auch zu einer Entlastung der Lehrkräfte beiträgt, sind für Regina Aeppli dringende Forderungen.

- Der ausserschulischen Betreuung (Krippe, Hort, Mittagstisch) muss noch mehr Beachtung geschenkt werden.

Sorgenkind Oberstufe

Im Vergleich mit internationalen Standards ist die Organisation der Oberstufe im Kanton Zürich zu kompliziert. Sorgen bereiten dem Bildungsrat und dem Volksschulamt auch die vielen Klagen von Lehrmeistern, welche unter den Schulabgängern viele "Durchhänger" orten: Schülerinnen und Schüler welche fast nicht mehr zu motivieren sind. In Erwägung stehen Massnahmen wie Einführung von Praktika, Abschlussarbeiten am Ende der Schulpflicht, frühere Berufsberatung, Verschiebung des Selektionstermins.

Der Weg zum neuen Volksschulgesetz

In der Folge skizzierte Regierungsrätin Aeppli die Arbeiten zur Vorbereitung einer Neu-Auflage eines neuen Volksschulgesetzes. Bei einem zu erwartenden Referendum wird eine Volksabstimmung Ende des Jahres 2005 möglich sein. Die Inkraftsetzung im Jahr 2006.
Englisch wird ab dem Schuljahr 2004/2005 gestaffelt eingeführt. Ab der 2. Primarklasse mit je zwei Lektionen pro Woche. (In der 4. Klasse drei Lektionen).
Es besteht nun ein taugliches Lehrmittel, die Ausbildung der Lehrkräfte ist angelaufen. Dadurch erfährt der Stundenplan eine Erhöhung der Lektionenzahl.
"Wenn das neue Volksschulgesetz angenommen wird, werden finanzielle Ressourcen nötig sein und im Gesamtbudget Platz finden müssen, denn Schulentwicklung muss trotz Finanzmangel möglich sein." So Regine Aeppli zum Schluss ihres Referats.

Engagierte Fragerunde

In der Fragerunde reagierte Regine Aeppli offen zu den aufgeworfenen Fragen und zog auch die Hilfe des ebenfalls anwesenden Leiters des Volksschullamtes, Martin Wendelspiess, zu Hilfe.
Allerdings gelang es ihr nicht, alle Zweifel auszuräumen. Die Einwände, dass mit zwei Fremdsprachen (mit Hochdeutsch sind es drei) auf der Primarschule eine Überforderung von schwachen Schülern stattfinde, dass die Kopflastigkeit gefördert und Legastheniker benachteiligt würden, konnte sie nicht stichhaltig aus dem Weg räumen. (Der Hinweis auf die zu wenig genutzte Mehrsprachigkeit unseres Landes hat zwar seine Richtigkeit, hilft aber im individuellen Fall der realen Überforderung nichts. Anmerkung des Korrespondenten).
Obwohl das Volksschulamt und die Bildungsdirektion dem Projekt "Tagesschule" positiv gegenüber stehen, scheint dies politisch noch nicht mehrheitsfähig zu sein.
Das Vorziehen von Englisch (ab. 2. Klasse) gegenüber Französisch (ab 5. Klasse) ist ein Beschluss der Erziehungsdirektorenkonferenz der Deutschschweizer Kantone (EDK) und berücksichtigt die Tendenzen in anderen deutschsprachigen Ländern.

Zum Schluss des Abends überreichte der Präsident von Schule und Elternhaus Affoltern, Stefan Gribi, Regine Aeppli eine antiquarische Ausgabe des "Tapferen Schneiderleins" - mit einer listigen Anspielung auf die Reduzierung des Handarbeitsunterrichts.

Die nächsten Veranstaltungen von S&E:

Montag, 19 bis Freitag, 23. April 2004 (zweite Frühlingsferienwoche):

FAHRWERK.ö!: Theaterabenteuer für Kinder mit Tanz, Musik und Clownerie

Montag, 3. Mai, 20 Uhr: Humor - ein fast vergessenes Element in der Erziehung

Samstag, 19. Juni, 14 bis 17 Uhr: Entdeckungsreise in den Wald für Eltern und Kinder.

Nähere Auskünfte: www.schule-elternhaus.ch/affoltern oder bei Stefan Gribi, Telefon 01 761 40 84.

Bilder:

1a Bildungsdirektorin Regine Aeppli sprach im Schulhaus Semper auf Einladung von Schule und Elternhaus. (Bild eschla)
2 Stefan Gribi, Präsident von S&E (rechts) bedankt sich bei Regierungsrätin Regine Aeppli für ihr Referat.(Bild eschla)